Stiftung Lebensräume Ovelgönner Mühle
Letzten Freitag habe ich Ilka Morr, Geschäftsführerin der Stiftung Lebensräume Ovelgönner Mühle besucht.
Wir trafen uns auf dem Hof vor der alten Mühle am Mühlenweg (die eigentliche Post-Adresse ist eine andere) und kamen sofort ins Gespräch über die sehr bewegte Geschichte der Stiftung. Einige Elemente kamen mir auch bekannt vor, da ich zwischen 2007 und 2011 das eine oder andere Mal dienstlich mit der Einrichtung in Kontakt getreten bin.
Vor ca. dreißig Jahren organisierten Eltern aus Nordrhein-Westfalen mit Frau Morr und Klaus Teschke, dem ehemaligen Einrichtungsleiter, eine Möglichkeit den eigenen Kindern mit Behinderungen eine angenehme Wohn- und Arbeitssituation zu bieten. Frau Morr beschäftigte sich bereits in den Achtzigern mit alternativen Wohnformen für Menschen mit Behinderungen und versicherte mir, dass seit damals sehr viel passiert ist und die heutigen Verhältnisse mit damals nicht zu vergleichen sind.
Die ersten Jahre in der Einrichtung waren davon geprägt, die Gebäudeteile herzurichten und den Standort zu sichern. Bereits am Anfang hatte man das Gefühl, dass das Dorf Ovelgönne die Einrichtung und die Menschen von Anfang an mit offenen Armen begrüßte.
Auch die Gemeinde Ovelgönne war von Anfang immer entgegenkommend. Meiner Meinung nach, ein schönes Beispiel, wie auch die öffentliche Verwaltung mit Menschen mit Behinderungen umgehen sollte.
War man am Anfang noch bei neun Bewohnern, wurden schnell 18 Bewohner daraus – inzwischen hat man 45 Plätze in der Einrichtung, die alle nach dem anthrosophischen Ansatz leben.
Auch, wenn man sich von Anfang begrüßt gefühlt hat, lebten man die ersten Jahre in der Ovelgönner Mühle eher für sich. 2006 folgte der erste Schritt aus der Gemeinschaft in das Dorf. Aus der Einrichtung für Menschen mit Behinderung wurde so eine örtliche Institution. Damals ersteigerte man den „König von Griechenland“ und hatte für die Bewohner_innen die Möglichkeit geboten, eine Tätigkeit in einem Hotel- und Gaststättengewerbe mit Saalbetrieb nachzugehen. 2009 wurde eine alte Lagerhalle gegenüber dem Hotel angekauft und umgebaut.
2012 und 2014 wurden Häuser und Wohnungen im Ort direkt gekauft, wo dann auch Bewohner eingezogen sind, die entsprechend Selbständig sind.
Als sich die LzO und der Dorfladen 2017 aus dem Ort verabschiedeten, konnte auf Initiative der Stiftung die Nahversorgung im Ort gesichert werden. Es war auch eine Art „Dankschön“ der Einrichtung, gegenüber der Menschen in Ovelgönne, die über die Jahre hinweg so herzlich zu den Einwohnern waren. Die Stiftung sah sich in der Pflicht und mit finanzieller Unterstützung u. a. durch das Land Niedersachsen auch in der Lage, die Nahversorgung im Ort zu sichern und wollte so etwas zurückgeben.
Der alte Laden wurde umgebaut, vergrößert, die Elektrik erneuert und ist seitdem mit den regionalen Produkten auch ein wichtiger Anlaufpunkt im Ort. Der BurgDorfLaden ist bereits bis in den Harz bekannt geworden. Das Leben im Dorf hat dadurch ein ganz neues Flair dazugewonnen.
2015 war es dann soweit, dass die alte Werkstatt auf dem Gelände hinter der Mühle abgerissen wurde und dort ein Wohngebäude geschaffen worden ist. Lange Jahre war die alte Werkstatt der zentrale Ort der Stiftung und es flossen einige Tränen als das Gebäude abgebrochen worden ist. Der anschließende Neubau wurde mit ganz viel Liebe eingeweiht und weist im Eingangsbereich auf dem Fußboden auf die grundlegende Werte des Hauses hin. Unter der Platte haben die damaligen Einwohner_innen persönliche Gegenstände mit untergebracht um dem neuen Gebäude eine Seele zu verleihen.
Wie sogar wirtschaftliche Interessen hintenangestellt werden, weil die Menschen in der Gemeinde die Stiftung zu schätzen wissen, wird deutlich, wenn man sich die Geschichte um die Ökologische Landwirtschaft am Mühlenweg betrachtet. Als der Eigentümer die landwirtschaftlichen Flächen in der Mühle veräußern wollte, waren eine Handvoll Landwirtschaftsbetriebe an dem Gelände interessiert um den eigenen Betrieb zu erweitern. Als sich dann herauskristallisierte, dass die Stiftung auch ein Interesse an dem Gebiet hatte, um weitere Grünflächen und Betätigungsfelder für die Bewohner_innen zu schaffen, haben alle interessierten Landwirte ihre Angebote zurückgezogen und der Stiftung den Vortritt gelassen. Als ich das hörte, habe ich Gänsehaut bekommen und mir wurde wieder bewusst, was für tolle Menschen in der Gemeinde wohnen.
Als der ökologische Garten hergerichtet wurde, war auch die Landjugend Strückhausen in einer 72-Stunden-Aktion vor Ort und richtete die Gehwege her. Als ich vor einigen Wochen bei der Landjugend war, berichteten sie mir bereits davon und waren auch begeistert darüber, dass sie so auch aktiv helfen konnten. Was die Landjugend mir aber nicht erzählte war, dass sie einen alten Bauwagen so schön herrichteten, dass Frau Morr den gar nicht wiedererkannt hatte und sich über dieses Engagement sehr gefreut hatte. So wurde daraus die Küken-Kindertagesstätte. Bei der Herstellung des gesamten Geländes waren die Stiftung KulturlandPflege, Bingo-Umweltstiftung, Software AG Stiftung, Stiftung Wohnhilfe, Heidehof Stiftung, und die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Wesermarsch behilflich und sehr wichtig.
Insgesamt habe ich eine Einrichtung kennen lernen dürfen, die sich beispielhaft in das Leben im Dorf integriert hat. Sie sind nicht nur im gesellschaftlichen Leben inkludiert, sie bilden sogar eine tragende Säule des Dorflebens. Für mich ein Parade-Beispiel in der Inklusion.
Für weitere Infos:
Rund um die Ovelgönner Mühle wurde ‚Inklusion‘ schon gelebt, bevor es allseits bekannt geworden ist.
Von Mensch zu Mensch e.V.
Deswegen bin ich mir sicher, dass für die Ansiedlung der Stiftung Lebensräume nur die Ovelgönner Mühle in Frage kam.